Dienstag, August 27, 2013

Liebe Grüne...

Ja, schon wieder. Sorry.

Ich weiß, erst der vorletzte Post begann mit derselben Überschrift. Und eigentlich war es nicht das primäre Anliegen dieses Blogs, herumzupolitisieren, schon gar nicht in einem parteipolitischen Sinne. Eigentlich. Einerseits. Andererseits: Von einem "Anliegen" zu sprechen, ist bei einem Blog, in dem so etwa ein Post pro Jahr erscheint, eh' reichlich vermessen. Außerdem hat die geringe Schreibfrequenz ja den Vorteil, dass dieser besagte vorletzte Beitrag auch schon wieder zweieinhalb Jahre her ist. Und manche Sachen dürfen ruhig ein bisschen öffentlicher gesagt werden, als nur in einer Mail an den Landesverband einer Partei. Warum also nicht hier? Also...

Liebe Grüne,

seit ich 1981 alt genug war, wählen zu dürfen, bin war ich das, was man einen grünen Stammwähler nennt. Das war nicht immer erfreulich für mich. Oft genug musste ich meinen Ärger über versprengte linke Sektierier, naive Blümchenapostel, esoterische Globuli-Gläubige und Blut-und-Boden-Naturschützer herunterschlucken und die Tatsache akzeptieren, dass all diesen Seltsamkeiten bei euch ein Forum geboten wurde. Aber in vielen Bereichen hat sich da ja in den gut dreißig Jahren durchaus einiges gebessert. Vieles, was von manch einem aus meinem Bekanntenkreis als Verrat an linken und pazifistischen Idealen angesehen wurde und wird, kann ich durchaus als Ausdruck von Anpassung an die Erfordernisse der Realität akzeptieren, auch wenn man sich bei der handwerklichen Umsetzung teilweise mehr Sorgfalt gewünscht hätte.

Was nun für mich das Fass der Duldsamkeit zum Überlaufen bringt, ist daher auch keines dieser "harten" Themen, sondern es sind die unsäglichen Stellungnahmen der grünen BRW-Landesgesundheitsministerin Barbara Steffens - und sie ist da ja beileibe nicht die Einzige - zum Thema "Alternativmedizin".

Eine gewisse Fremdheit gegenüber Rationalismus und Wissenschaft hat zwar bei den Grünen schon immer eine ungute Tradition. Aber eine grüne Gesundheitsministerin, die sich in Ausübung ihres Amtes - in das leider auch ich sie indirekt gewählt habe - als Lobbyistin für Homöopathen und esoterische Wunderheiler aller Art betätigt, hätte ich mir denn doch nicht träumen lassen.

Nun ist das ein Thema, welches viele Menschen wohl als eher zweitrangig oder gar unwichtig ansehen würden, verglichen mit meinetwegen der Nutzung der Atomkraft, der Frage einer deutschen Beteiligung am nächsten Kampfeinsatz irgendwo in der Welt oder der Frage, ob und wie der Euro zu retten sei.

Aber wer mich ein wenig kennt, weiß, dass ich einen starken Hang zur Rationalität habe. Eben dieser befähigt mich, zu akzeptieren, dass hehre Ideale in der Politik selten zu 100% umgesetzt werden können und manchmal sogar fast vollständig den Realitäten zum Opfer fallen müssen. Was ich hingegen absolut nicht akzeptieren kann, ist, wenn ganz offen und unverhohlen im Namen der Irrationalität irrationale Politik betrieben wird. Und esoterisches Geschwurbel steht auf der Liste der Dinge, die für mich intellektuell unerträglich sind, sowieso ganz weit oben.

Ohne das weiter ausführen zu wollen: Wer heute noch (beispielsweise) an eine über den Placebo-Effekt hinausgehende Wirksamkeit eines schon vom Ansatz jeder Wissenschaftlichkeit Hohn sprechenden Verfahrens wie der Homöopathie glaubt, der kann und muss eigentlich alles glauben. Und wer gar die gegenüber der evidenzbasierten Medizin gleichberechtigte Zulassung derartiger "Heilverfahren" als gesundheitspolitisches Ziel propagiert, der hat das Prinzip der Rationalität und die Ideale der Aufklärung am Stück über Bord geworfen. Für das Treiben ihrer Wähler oder Mitglieder ist eine Partei ja nur in Grenzen verantwortlich. Aber einer Partei, welche eine Person wie Steffens in das Amt der Gesundheitsministerin des bevölkerungsreichsten Bundeslandes hievt, kann ich nicht länger zutrauen, dass sie in irgendeinem anderen Politikfeld nach rationalen Kriterien handelt.

Und daher: Ja, die Piraten sind ein chaotischer Laden. Ja, sie sind unprofessionell, nach wie vor, auch wenn sich manches gebessert hat. Ja, es gibt reichlich Äußerungen von Mitgliedern und Funktionären, die schwer erträglich sind. Aber all das gab es bei den Grünen auch. Aber eine globuli-gläubige Eso-Tante als Gesundheitsministerin... ich denke, die Piraten verdienen zumindest die Chance, zu zeigen, dass sie - nach ein paar Jahren Weiterentwicklung - ähnlich Schauriges nicht anstellen.

Und jeder, der sich über das angeblich nicht vorhandene Parteiprogramm und das angeblich so geringe Themenspektrum der Piraten mokiert, der lese beispielsweise das hier. Autorin ist Julia Groß, Koordinatorin der AG Gesundheitspolitik der Piraten. So hätte eine Stellungnahme einer Landes-Gesundheitsministerin auszusehen, liebe Grüne. Und außerdem will ich auch einen Wombat.

Daher: MfG und Klarmachen zum Ändern.